Seit einigen Jahren interessiere ich mich immer mehr dafür, wie
die Digitalisierung unsere Umgebung und unser Kommunikationsverhalten verändert.
Als Rhetorikerin finde ich es faszinierend, wenn jemand von „elegantem Code“ spricht
– eine für mich unerwartete Analogie zur „normalen“ Sprache, in der es
ebenfalls einen großen Unterschied gibt zwischen „schreiben können“ (Buchstaben
zu Wörtern formen) und „schreiben können“ (Wörter zu Sätzen formen) und dem
professionellen Schreiben der „Dichter“ (Schriftsteller, Autoren aller Art,
auch Journalisten), die das zielgerichtete Schreiben in unterschiedlichen Stilen,
Stimmen und Gattungen beherrschen Mit dieser bewußten, überlegten Zielgerichtetheit
beschäftigt sich die Allgemeine Rhetorik, und deshalb habe ich das Fach studiert.
Ich glaube, dass die allgemein genutzte Gegenüberstellung von
digitaler und analoger Kommunikation zu kurz greift. Natürlich kann man analoge
Texte digitalisieren, online stellen und sie maschinenlesbar machen. Aber das
macht keinen Roman, kein Gedicht zum digitalen Text. So wie sich das aufgeführte
Drama vom still und allein gelesenen Roman oder der Zeitungsbericht vom
Rechtsgutachten unterscheidet, so gesellt sich das digitale als eigenständige
Gattung mit wesenstypischen Merkmalen gleichberechtigt neben das mündliche und
das schriftliche Kommunizieren. Denn es enthält durch die Möglichkeit der Einbeziehung
von Bild, Ton und Film beim Lesen auch performative Elemente.
Vor allem aber bietet der Einsatz von Hyperlinks Optionen,
die Assoziationen des Lesers zu steuern, die weit über die Möglichkeiten des normalen „Framing“
hinausgehen: konnte sich der Orator bisher gerade bei heterogenem Publikum selten
darauf verlassen, dass dieses den gewünschten Kontext assoziiert, erhält er
mittels des Hyperlinks eine größere Deutungshoheit über die gewünschten
mitzudenkenden Hintergründe, Informationen oder Bilder. Die zielgerichtete
Botschaft kann daher über digitale Kanäle im Idealfall mit viel geringerem
Streuverlust vermittelt werden, als es bspw. ein mündlicher oder papiergedruckter
Vortrag könnte.