Donnerstag, 22. Oktober 2015

#bloggerfürflüchtlinge

Schon vor zwei Monaten, am 23. August las ich zum ersten Mal von der Aktion "Blogger für Flüchtlinge". Gleich mehrere Blogger in meiner Filterblase beteiligten sich bzw. waren gleich unter den Mitgründern der Aktion. 
Andere wiederum berichten regelmäßig auch ohne den Hashtag #bloggerfürflüchtlinge über Flüchtlinge und Vertriebene in Hamburg, in Deutschland, in der Presse.
Die Nachrichten sind voll davon und jeder hat eine Meinung.
Glücklicherweise ist die Meinung in meiner direkten Umgebung schlimmstenfalls zurückhaltend-indifferent. Vielleicht liegt es daran, dass unsere familieneigenen Flucht-und Migrationserfahrungen weniger als eine Generation entfernt sind:
Meine Großeltern, mein Vater, mein Onkel, meine Tante wurden mit der gesamten Dorfgemeinschaft von den Russen vertrieben - das ist jetzt etwa 70 Jahre her, mit dieser Geschichte bin ich aufgewachsen. Und obwohl es nur um ca. 400 km ging in ein Land, dessen Sprache man sprach und dessen Kultur man teilte, so waren mein Vater und seine Geschwister zeitlebens entwurzelt - denn sie sind nicht freiwillig gegangen.
Mein Bruder, wie ich aufgewachsen mit Erasmus-Programm und Europäischer Union, ist nach dem Studienabschluss mit dem Umweg über Portugal nach Spanien ausgewandert, wo man als Architekt leichter Arbeit fand als in der Studienstadt Aachen - ich glaube nicht, dass er zurück kommt. (Es ist sehr schön, da in Spanien.) Auswandern, damit es ihm woanders besser geht - ein klassischer "Wirtschaftsflüchtling"! Von den drei Söhnen meiner Tante lebt einer in den USA und einer in Australien, weil sie dort Arbeit und die Liebe gefunden haben - ebenfalls "Wirtschaftsflüchtlinge"?
Und wenn schon! Sie wollen arbeiten, sie dürfen arbeiten, und so profitieren alle Seiten davon.
Das ist auch wissenschaftlich belegt. (Und wenn ich den Link wiederfinde, reiche ich ihn nach.)

Bisher hat mir gegenüber jedenfalls noch niemand geäußert, dass "wir" "das" nicht "schaffen" - entschuldigt die ganzen Gänsefüßchen, aber wer ist "wir"? was heißt "das" genau? Definiere mal "schaffen" - was soll denn das Ziel sein? Und über welchen Zeitraum?
Ich habe zwar den Verdacht, dass auch ich Verwandte, Freunde oder Bekannte habe, die sich direkt oder indirekt unwohl fühlen bei dem Gedanken an die wachsenden Flüchtlingszahlen. Bestimmt machen sich viele Gedanken darüber, wie "man" mit der Situation umgehen kann, soll oder muss. Fakt ist aber, dass nur sehr sehr wenige sich bisher persönlich damit beschäftigen wollen oder müssen - es ist immer noch sehr einfach, die konkreten Personen, die täglich in Deutschland ankommen, zu ignorieren, an ihnen vorbeizuleben, ihnen im Stadtbild aus dem Weg zu gehen.

Ich will das nicht mehr. Ich habe sogar meinen facebook-Account wieder aktiviert, weil das offenbar die einzige/beste Möglichkeit ist herauszufinden, was in meiner Stadt benötigt wird, was ich tun kann. Und ich habe einer Freundin erzählt, dass ich früher mal Deutsch als Fremdsprache unterrichtet habe. Ich habe noch Lehrmaterialien aus der Zeit, ich habe Zeit, und ich habe die Erfahrung.
Was ich nicht habe? Irgendeine Ausrede, nicht zu helfen.



Mitlesen, mitmachen oder spenden könnt Ihr hier:
http://www.blogger-fuer-fluechtlinge.de/