Mittwoch, 21. August 2013

Paternalismus.

Mein Arbeitgeber hat Nachtarbeit angeordnet.
Mein Arbeitgeber musste Nachtarbeit "anordnen", weil ich mich freiwillig gemeldet hatte, vor einigen Wochen bei einem "Lange-Nacht"-Event mitzumachen. "Lange-Nacht"-Events sind wohl Mitte der Neunziger in Mode gekommen, ich glaube die Museen haben damit angefangen. Ich meide solche Veranstaltungen in der Regel, ich gehe lieber tagsüber ins Museum, da ist es nicht so voll  und man kann in Ruhe die Ausstellung angucken. Dennoch habe ich nichts gegen "Lange-Nacht-des-wasauchimmer" - der Eventcharakter spricht Menschen an, die normalerweise nicht die Zeit haben oder nehmen, um - beispielsweise - ins Museum zu gehen. Und das ist ja der Sinn von das Ganze.

Unsere Lange Nacht ging um 18 Uhr los und dauerte bis zum nächsten Morgen, ich glaube, bis gegen 8 oder halb neun. Der Enthusiasmus war groß, alle waren mit viel Spaß dabei, und um Mitternacht war der größte Ansturm vorbei. Gegen ein Uhr bin ich nach Hause gefahren und habe mich schlafen gelegt, und jüngere, noch enthusiastischere Menschen haben das Fort bis zum Morgengrauen gehalten.
Die Arbeit, auch wenn sie schön ist, auch wenn sie mir Arbeit Spaß macht, ist aber doch ARBEIT. Und ARBEIT muss in der Zeiterfassungssoftware erfasst werden, und man darf nicht länger als 10 Stunden und schon gar nicht nach 21 Uhr arbeiten, auch wenn das für viele Teilzeit-und auch Vollzeitmütter viel praktischer wäre - vormittags ein paar Stunden ins Büro, dann die Kinder betreuen, und abends nach der Kinder-Bettruhe noch einmal an den Schreibtisch, dann wenn keiner mehr was will und das Telefon nicht mehr klingelt und man endlich einmal in Ruhe arbeiten könnte. Kurzum, es gibt da Regeln, für die Gewerkschaften während oder nach der Zweiten Industriellen Revolution hart gekämpft haben, und die den Arbeitnehmer vor der Ausbeutung durch böse kapitalistische Arbeitnehmer schützen sollen, und das ist sicherlich auch gut so.

Aber.

Aber mein Arbeitgeber ist gar kein böser kapitalistischer Ausbeuter, und ich arbeite nicht am Fließband, sondern am Schreibtisch, und freue mich, wenn ich mal bei einem Lange-Nacht-Event unter Leute komme, und mit mehr Öffentlichkeit als nur dem "Team" zusammentreffen kann. Ich bin auch alt genug, selbst zu entscheiden, ob ich an solch einer Veranstaltung teilnehmen möchte, und wenn mich jemand gegen meinen Willen zwingen wollte, so gäbe es Tarifverträge und Ombudspersonen und Gleichstellungsbeauftragte und einen Personalrat.

Ich hätte es ja möglicherweise noch verstanden wenn ich  - eine mündige Bürgerin mit Hochschulabschluss - aufgrund der bestehenden Bestimmungen, die ja nur zu meinem Schutz existieren (siehe oben) Nachtarbeit beantragen müsste, so dass der Arbeitgeber mir als Arbeitnehmerin unter Berücksichtigung der Umstände eine "Erlaubnis" erteilen müsste. Aber nein. Es soll offenbar gar nicht erst der Verdacht aufkommen, als könnte ich bei solchen schwierigen Entscheidungen, die ja immerhin mein eigenes Wohlbefinden sichern sollen, mitreden. Und so hat mein Arbeitgeber (auf meinen Antrag) schriftlich angeordnet, dass ich Nachtarbeit leisten müsse...

Kennt Ihr das? Wenn man den gewünschten Spaß vorgeschrieben bekommt, hat man gleich gar keine Lust mehr...